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Geowissenschaftler der Goethe-Universität erstellen anhand von Sedimenten ein Archiv mit jährlicher Auflösung
„Forschung Frankfurt“ zum Thema Digitalisierung: Wie Rechtswissenschaft und Informatik gemeinsam vor Diskriminierung durch digitale Dienste schützen können
FRANKFURT. Wenn alle das nutzen, wird es schon nicht so schlimm sein – beim Handy- und Computergebrauch auf „Schwarmintelligenz“ zu setzen, ist nicht unbedingt eine gute Idee. „Denn wir wissen zum einen nicht, wer unsere Daten hat, wir wissen aber auch nicht, was über uns gewusst wird – und was mit diesem Wissen unternommen wird“, so die Frankfurter Datenrechtsexpertin Prof. Indra Spiecker in einem Beitrag im Wissenschaftsmagazin „Forschung Frankfurt“ der Goethe-Universität. Schwerpunktthema der gerade erschienenen jüngsten Ausgabe ist die digitale Transformation. Nur ein Zusammenspiel zwischen Rechtswissenschaft und Informatik, so die Direktorin der Forschungsstelle Datenschutz an der Goethe-Universität Frankfurt, könne Einzelne und bestimmte gesellschaftliche Gruppen vor Diskriminierung schützen.
Wie soll ein Hotelgast, der aus einem bundesweit bekannten
Problemviertel stammt, wissen, dass ihm ein Hotelzimmer zu einem höheren Preis
angeboten wird als jemandem aus einem bürgerlichen Viertel? Nicht immer sind es
konkrete Daten zu einer bestimmten Person, die zu einer Benachteiligung führen
können. Moderne Datenauswertung mithilfe künstlicher Intelligenz arbeite längst
damit, so Spiecker, „den Einzelnen Gruppen zuzuordnen und ihn nach den
Kriterien der Gruppe zu beurteilen. Auf dieser Basis werden dann Preise für
Produkte je nach Zielgruppe variabel bestimmt.“
Dabei kommt es nicht immer zu einer „Diskriminierung im
juristischen Sinne“, erklärt die Professorin für Öffentliches Recht,
Informationsrecht, Umweltrecht und Verwaltungswissenschaften. Diskriminierung
könne auch verdeckt erfolgen – indem Ersatzkriterien gewählt werden, die
vordergründig in keinem Zusammenhang mit Zuordnungen wie Geschlecht, Rasse,
Herkunft oder Religion stehen. Die aber denselben Effekt haben. Solche
Ersatzkriterien sind mit Hilfe digitaler Technik leicht zu finden – aber von
Datenschützern schwer aufzudecken. So liegt es nicht auf der Hand, dass die
Vorliebe einer Fernsehzuschauerin für eine bestimmte Serie ihre
Kreditwürdigkeit senkt. Der wirklichen Ursache für die Benachteiligung ist kaum
auf den Grund zu kommen, rechtliche Schritte dagegen sind folglich unmöglich.
Rechtswissenschaftlerin Spiecker plädiert deshalb für ein „enges
Zusammenspiel von Technologie und der Werteordnung des Rechts“: Es müssten
technische Lösungen gefunden werden, die rechtlichen Anforderungen entsprechen.
Und umgekehrt müssten rechtliche Anforderungen so formuliert werden, dass sie
technische Lösungen akzeptieren könnten. Auch müsse vom konkreten Programmierer
oder seinem Unternehmen mehr Verantwortung eingefordert werden.
Hat der Einzelne dennoch eine Chance, sich vor dem ungewollten
Datenabfluss zu schützen? „Was immer hilft“, sagt Spiecker im Interview mit
„Forschung Frankfurt“, „ist die Macht der Masse.“ Wer seinem Kind nicht
beibringe, „google das mal“, als ob es keine alternativen Suchmaschinen gäbe,
oder beim Fernsehkauf nicht nur „toll, internetfähig!“ ausrufe, sondern auch
mal nachhake, wer denn sonst noch von den familiären Sehgewohnheiten erfahre,
trage dazu bei, dass Märkte sich verändern. Jeder intelligente Nutzer, der sein
Verhalten ändere, könne etwas bewirken.
Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (1/2020)
kann von Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de.
Im Web: www.forschung-frankfurt.de. Unter
www.aktuelles.uni-frankfurt.de/forschung-frankfurt-englisch finden
Sie ausgewählte Beiträge in englischer Übersetzung.
Schneller und einfacher zu hochaufgelösten dreidimensionalen elektronenmikroskopischen Bildern von Biomolekülen
FRANKFURT/JENA. Eine Art Köder, um gezielt Proteinkomplexe aus Mischungen fischen zu können, hat ein interdisziplinäres Team aus Frankfurt und Jena entwickelt. Dank dieses „Köders“ ist das gewünschte Protein wesentlich schneller für die weitere Untersuchung im Elektronenmikroskop verfügbar. Diese neuartige Schicht aus hauchdünnem molekularen Kohlenstoff taufte das Forschungsteam „smartes Nanoblatt“. Mit Hilfe der Neuentwicklung lassen sich beispielsweise Krankheiten und deren Behandlung mit Medikamenten besser verstehen.
„Mit
unserem Verfahren lassen sich innerhalb einer Woche neuartige Proteine aus
Mischungen isolieren und charakterisieren“, erklärt Daniel Rhinow vom
Frankfurter Max-Planck-Institut für Biophysik. „Bisher war alleine die
Isolierung der reinen Proteine oft Teil einer mehrjährigen Doktorarbeit“.
Zusammen mit Andreas Terfort (Goethe-Universität Frankfurt) und Andrey
Turchanin (Friedrich-Schiller-Universität Jena) entstand vor einigen Jahren die
Idee, die gewünschten Proteine direkt aus Mischungen herauszufischen, indem man
ein Nanoblatt mit Erkennungsstellen ausrüstet, an die das Zielprotein bindet.
Nun ist es den Wissenschaftlern gelungen, Proteine dank eines „smarten
Nanoblatt“ umgehend für eine Untersuchung im Kryo-Elektronenmikroskop
zugänglich zu machen.
Die
Kryo-Elektronenmikroskopie basiert auf dem Schockgefrieren einer Probe bei
Temperaturen unter -150 Grad Celsius. Dabei behält das Protein seine Struktur,
störende Fixierungs- oder Färbemittel sind nicht nötig, und die Elektronen
können das vereiste Objekt leicht durchstrahlen. Es entstehen hochaufgelöste
dreidimensionale Aufnahmen kleinster Strukturen – etwa von Viren und DNA, bis
fast hinab zur Größenordnung eines Wasserstoffatoms.
Zur
Vorbereitung werden die Proteine in einer äußerst dünnen Wasserschicht auf
einem winzigen Metallnetz schockgefroren. Bislang mussten die Proben vor einer
elektronenmikroskopischen Untersuchung aufwendig und oft unter großen Verlusten
gereinigt werden. Nur wenn lediglich eine Sorte von Proteinen in der
Wasserschicht gebunden ist, ist die elektronenmikroskopische Untersuchung
erfolgreich.
Die
Gruppe um Turchanin setzt nun Nanoblätter ein, die lediglich einen Nanometer
dünn sind und aus einer vernetzten molekularen selbst-organisierenden
Monoschicht bestehen. Dieses Nanoblatt versieht Terforts Arbeitsgruppe mit
einem Gelbildner als Grundlage für den zum Gefrieren notwendigen dünnen
Wasserfilm. Daran binden die Forscher eine Erkennungsgruppe (eine spezielle
Nitriloessigsäure-Verbindung mit Nickelionen). Das Team um Rhinow nutzt die so
präparierten „smarten Nanoblätter“, um gezielt Proteine aus einer Mischung zu
fischen. Sie wurden vorab mit einer Histidin-Kette markiert, mit der sie an die
Erkennungsgruppe binden; alle anderen störenden Teilchen lassen sich abspülen.
Das Nanoblatt mit dem gebundenen Protein kann anschließend direkt mit dem
Elektronenmikroskop untersucht werden.
„Unsere smarten Nanoblätter sind besonders leistungsfähig, weil die Hydrogelschicht den notwendigen dünnen Wasserfilm stabilisiert und gleichzeitig die unspezifische Bindung störender Teilchen unterdrückt,“ erklärt Julian Scherr von der Goethe-Universität. „Damit kann die molekulare Strukturbiologie nun viel schneller Proteinstrukturen und -funktionen erforschen“. Mit daraus gewonnenen Erkenntnissen lassen sich beispielsweise Krankheiten und deren Behandlung mit Medikamenten besser verstehen.
Das
Team hat sich die neuen Nanoblätter patentieren lassen und auch schon einen
Hersteller gefunden, der dieses hilfreiche Werkzeug auf den Markt bringen wird.
Publikation:
Smart Molecular Nanosheets for Advanced Preparation of Biological Samples in
Electron Cryo-Microscopy, ACS Nano 2020, https://doi.org/10.1021/acsnano.0c03052
Julian
Scherr, Zian Tang, Maria Küllmer, Sebastian Balser, Alexander Stefan Scholz,
Andreas Winter, Kristian Parey, Alexander Rittner, Martin Grininger, Volker
Zickermann, Daniel Rhinow, Andreas Terfort und Andrey Turchanin; Abteilung
Strukturbiologie, Max-Planck-Institut für Biophysik, Max-von-Laue-Str. 3, 60438
Frankfurt am Main; Fakultät für Biochemie, Chemie, Pharmazie,
Goethe-Universität Frankfurt, Max-von-Laue-Str. 7, 60438 Frankfurt am Main;
Institut für Physikalische Chemie, Friedrich-Schiller-Universität Jena,
Lessingstr. 10, 07743 Jena
Ein Bild zum Download finden Sie unter: www.uni-frankfurt.de/90123573
Bildtext: Das neue Nanoblatt-Verfahren: Der zu untersuchende Proteinkomplex
(gelb) wird mithilfe einer Markierung (rote Kette mit Fünfecken) über einen
Nickelkomplex an das smarte Nanoblatt gebunden. Unerwünschte Proteine (grau)
werden durch das Hydrogel (schwarzes Geflecht) abgestoßen. Nach dem Einfrieren
des gesamten Gebildes inklusive eines dünnen Wasserfilms kann es mit Elektronen
durchleuchtet werden, um Bilder der gebundenen Proteine zu erhalten. Daraus
kann ein Computer die 3D-Struktur des Proteins berechnen.
Informationen: Univ.-Prof. Dr. Andreas Terfort, Institut für Anorganische und
Analytische Chemie, Telefon +49-69-798-29181, E-Mail aterfort@chemie.uni-frankfurt.de, https://www.uni-frankfurt.de/53459866/terfort
Univ.-Prof.
Dr. Andrey Turchanin,
Institut für Physikalische Chemie, Friedrich-Schiller-Universität
Jena, Lessingstr. 10, 07743 Jena, andrey.turchanin@uni-jena.de,, +49-3641-48370, www.apc.uni-jena.de
Forscherinnen und Forscher der Goethe-Universität wagen in der neuen Ausgabe des UniReport eine Zwischenbilanz
Die weiteren Themen im UniReport 4/Juli 2020:
Die jüngste Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ fragt nach den psychischen Auswirkungen moderner Technologien
„Forschung Frankfurt“ über Digitalisierung: Große Datensätze sollen Früherkennung von Epilepsie ermöglichen
Wissenschaftsrat würdigt die erfolgreiche Arbeit des Sigmund-Freud-Instituts seit 2016
Neue Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ befasst sich mit dem Thema Digitalisierung / Interview mit Arbeitssoziologin Friedericke Hardering
FRANKFURT. Die Corona-Krise hat vieles verändert – auch in der Arbeitswelt. Die Digitalisierung ist auch hier einen großen Schritt vorangekommen. Defizite bei Ausstattung und Infrastruktur wurden dabei schmerzhaft deutlich, aber auch die Bereiche, in denen analoge Formen des Arbeitens nicht zu ersetzen sind. Die jüngste Ausgabe von „Forschung Frankfurt“, die heute erscheint, trägt den Titel: „Wir in der digitalen Welt – Chancen Risiken Nebenwirkungen“. Darin versammelt ist ein facettenreiches Spektrum an Beiträgen aus der Soziologie, der Rechtswissenschaft, der Psychologie, den Wirtschaftswissenschaften und natürlich auch der Informatik. Den Auftakt macht ein Interview mit der Arbeitssoziologin Friedericke Hardering, die auch Fragen zu den Entwicklungen des zurückliegenden Halbjahres beantwortet.
Deutschland hinke bei der
Digitalisierung hinterher, diese weit verbreitete Kritik teilt Hardering –
allerdings nur begrenzt: „Es gibt inzwischen durchaus genug Akteure, die
Deutschland analog zum Silicon Valley zum Silicon Germany machen wollen. Die
Relevanz des Themas wird gesehen.“ Deshalb sieht die Soziologin, die an der
Goethe-Universität habilitiert wurde, durchaus optimistisch in die Zukunft.
Wobei sie auch den Staat in der Pflicht sieht: „Auch das Silicon Valley hätte
es ohne staatliche Hilfe so nicht gegeben: Das ist ja nicht durch die
Initiative von Unternehmern entstanden, sondern nur auf der Basis massiver Fördergelder.
Ohne eine gute Infrastruktur und die entsprechende Förderung kann es nicht
funktionieren.“
Dass analoge Formen des
Arbeitens und der Begegnung bald der Vergangenheit angehören könnten, diese
Möglichkeit sieht Hardering nicht: „Unter normalen Bedingungen – ohne
Corona-Krise – brauchen wir immer eine Verzahnung von Online und Offline, in
der Arbeitswelt, aber auch darüber hinaus.“ Denn digitale Technologien seien
keineswegs ein Allheilmittel für Krisen jeder Art, sondern sie brächten andere
Risiken mit sich. Die in der Corona-Zeit vielgenutzte Möglichkeit des
Homeoffice habe Hardering zufolge vor allem gezeigt, wie gespalten die
Gesellschaft sei in Bezug auf materielle Ausstattung, aber auch in Bezug auf
die Kenntnisse. Die Digitalisierung verschärfe die Ungleichheit zwischen den
Menschen weiter.
Unabhängig von der Coronakrise
bringt die Digitalisierung auch neue Formen der Arbeitsorganisation hervor, zum
Beispiel Crowdworking-Plattformen. Dieser wachsende Bereich stelle auch die
Gewerkschaften vor große Herausforderungen: „Soloselbstständigkeit ist ja auch
unabhängig von Digitaltechnologie immer ein relativ ungeschützter Bereich mit
vielen Unsicherheiten und Prekaritäten.“ Die Frage sei, wie man
Soloselbstständige zum kollektiven Handeln bringen könne. Auch in anderer
Hinsicht verschärfe die Digitalisierung prekäre Arbeitssituationen. Bei der
Rasanz der Entwicklung könnten Regulierungsinstanzen oft nicht mithalten.
Hardering, die derzeit in einem
Projekt zur Entfremdung der Menschen von der Arbeit forscht, spricht im
Interview auch darüber, wie sich die Erfahrungen von Beschäftigten in Hinblick
auf die Digitalisierung ändern, wie diese sich unter den Bedingungen neuer
digitaler Technik die Arbeit aneignen. „Ein Phänomen der Entfremdung wäre zum
Beispiel, wenn die Leute davon berichten, dass eine bestimmte Form des
Zusammenseins früher in der Arbeit gegeben war, die jetzt, zum Beispiel durch
Beschleunigungsprozesse, durch immer höheren Zeit- und Leistungsdruck, nicht
mehr da ist“, erklärt die Soziologin. Arbeit sei immer auch ein Ort des
sozialen Zusammenseins und somit wichtig für die Weltaneignung.
Auch die sonstigen Beiträge im
aktuellen „Forschung Frankfurt“ betrachten die Digitalisierung vor allem unter
dem Aspekt der Auswirkungen auf den Einzelnen und die Gesellschaft.
Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (1/2020) kann von
Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de.
Im
Web: www.forschung-frankfurt.uni-frankfurt.de.
Informationen: Dr. Friedericke Hardering, E-Mail: f.hardering@soz.uni-frankfurt.de
Führung am Campus Riedberg vermittelt historische und botanische Aspekte. 17. Juli, 16.00-17.30 Uhr
Wegen der Corona-Krise müssen sich neugierige Nachwuchsstudis bis 2021 gedulden
Schleiff: „Gemeinsam für ambitionierte Ziele in Lehre und Forschung“
DFG bewilligt neues Graduiertenkolleg zur Bildanalyse in den Lebenswissenschaften
FRANKFURT. Moderne Mikroskopietechniken gewähren faszinierende Einblicke in Gewebe, Zellen, ja sogar große Moleküle. Doch die Datensätze sind mittlerweile so groß, dass man zu ihrer Interpretation fortgeschrittene Kenntnisse in der Bildanalyse benötigt. Diese wird nun ein interdisziplinäres Graduiertenkolleg an der Goethe-Universität vermitteln, das an der Schnittstelle von Lebenswissenschaften und Informatik angesiedelt ist. Das Vorhaben wird in den kommenden 4,5 Jahren von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
„Hochauflösende Bilder sind heute so komplex, dass es immer schwieriger wird, die darin verborgenen Informationen effektiv auszuwerten“, erklärt Prof. Achilleas Frangakis, Experte für Elektronenmikroskopie am Institut für Biophysik. Gemeinsam mit Prof. Ernst Stelzer, der am Institut für Physikalische Biologie die Lichtscheiben-Mikroskopie etabliert hat, will er Doktoranden aus Biologie, Physik und Informatik nun eine gezielte Forschungsausbildung bieten, die sowohl Kenntnisse in der Mikroskopie als auch in der Informatik vermittelt.
Derzeit erwerben Informatiker und Physiker, die Algorithmen für die Bildanalyse entwickeln, erst gegen Ende ihrer Ausbildung Kenntnisse in den Lebenswissenschaften. Diesen Weg haben Frangakis und Stelzer, beide studierte Physiker, selbst beschritten. „Biologen fehlt es dagegen an Datenverarbeitungskompetenz“, sagt Stelzer. „Sie sind sich relevanter Entwicklungen nicht bewusst und können fortschrittliche Technologien nicht eigenständig einsetzen.“
Im Graduiertenkolleg „Verknüpfung von Bildanalyse und Molekularen Lebenswissenschaften“ sollen die Doktorandinnen und Doktoranden nun das Design, die Konstruktion und den automatisierten Einsatz moderner Mikroskopietechniken in multidisziplinären Arbeiten optimieren. Die Goethe-Universität verfügt über zahlreiche Techniken, mit denen sie eine große Breite von zeitlichen und räumlichen Auflösungen abdeckt: Kryo-Elektronentomographie, hochauflösende und lichtscheibenbasierte Fluoreszenzmikroskopie, Raman-Mikroskopie sowie Multiphotonen-Mikroskopie. Im Graduiertenkolleg lernen die Doktoranden, die großen Datensätze mit modernen Algorithmen zu untersuchen. Geplant ist weiterhin, Algorithmen für teilautonome Bildanalysen und Interpretationen auf Supercomputern zu implementieren.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Achilleas Frangakis,
Institut für Biophysik
Buchmann Institut für Molekulare Lebenswissenschaften
Tel.: (069) 798-46462
E-mail: achilleas.frangakis@biophysik.uni-frankfurt.de
Prof. Dr. Ernst Stelzer
Institut für Physikalische Biologie
Buchmann Institut für Molekulare Lebenswissenschaften
Tel.: (069) 798-42547
E-mail: ernst.stelzer@physikalischebiologie.de
Fonds erreicht mit 2,5 Millionen Euro Hälfte des Spendenziels – Medizinische Forschung im Fokus
Röntgenstrukturanalyse gibt detaillierte Einblicke in molekulare Wirkstoff-Fabrik
FRANKFURT. Die Wirkstoffe vieler Medikamente sind Naturstoffe, so benannt, weil oft nur Mikroorganismen die komplexen Strukturen herstellen können. Ähnlich wie am Fließband einer Fabrik setzen große Enzymkomplexe diese Wirkstoff-Moleküle zusammen. Einem Team der Goethe-Universität Frankfurt und der Technischen Universität München (TUM) ist es jetzt gelungen, die grundlegenden Mechanismen einer dieser molekularen Fabriken aufzuklären. (Nature Chemistry, DOI: 10.1038/s41557-020-0491-7)
Viele wichtige Medikamente, beispielsweise Antibiotika oder Wirkstoffe gegen Krebs, sind Naturstoffe, die von Mikroorganismen wie zum Beispiel Bakterien oder Pilzen aufgebaut werden. Im Labor können sie diese Naturstoffe oft gar nicht oder nur mit großem Aufwand hergestellt werden. Ausgangsbasis für eine große Zahl solcher Verbindungen sind Polyketide, Kohlenstoffketten, bei denen jedes zweite Atom eine Doppelbindung zu einem Sauerstoffatom besitzt.
In der Zelle eines Mikroorganismus wie des Bakteriums Photorhabdus luminescens entstehen sie mit Hilfe von Polyketidsynthasen (PKS). Um schrittweise die gewünschten Moleküle aufzubauen, arbeiten bei Typ II PKS-Systemen in der ersten Stufe vier Proteine in wechselnden „Teams“ zusammen.
In einer zweiten Stufe werden diese dann durch weitere Enzyme zum gewünschten Naturstoff modifiziert. Beispiele für so hergestellte bakterielle Naturstoffe sind unter anderem die klinisch genutzten Tetracyclin-Antibiotika oder das Krebsmedikament Doxorubicin.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit
Während die modifizierenden Schritte der zweiten Stufe für viele Wirkstoffe gut untersucht sind, gab es bisher kaum Einblicke in die grundsätzliche Arbeitsweise der ersten Stufe dieser molekularen Wirkstoff-Fabriken, bei der das sehr reaktive Polyketid-Zwischenprodukt am Enzymkomplex gebunden und geschützt vorliegt, so dass es nicht spontan reagieren kann.
Diese Lücke schließen nun die im renommierten Fachjournal Nature Chemistry veröffentlichten Ergebnisse der Kooperation zwischen den Arbeitsgruppen von Michael Groll, Professor für Biochemie an der TU München, und Helge Bode, Professor für Molekulare Biotechnologie der Goethe-Universität Frankfurt.
Erkenntnisse inspirieren zu neuen Wirkstoffsynthesen
„Im Rahmen dieser Arbeit konnten wir erstmals Komplexe der verschiedenen Partner-Proteine der Typ II Polyketidsynthase mit Hilfe der Röntgenstrukturanalyse analysieren und so den ganzen katalytischen Zyklus im Detail verstehen“, erläutert Michael Groll.
„Basierend auf diesen Erkenntnissen wird es in Zukunft möglich sein, gezielt in die zentralen biochemischen Prozesse einzugreifen und damit die Grundstrukturen zu verändern, anstatt sich auf die dekorierenden Enzyme zu beschränken“, ergänzt Helge Bode.
Bis verbesserte Antibiotika und andere Medikamente entstehen ist es zwar ein weiter Weg, aber beide Gruppen sind optimistisch, dass nun auch die noch fehlenden Teile der molekularen Fabrik in Struktur und Mechanismus aufgeklärt werden können. „Wir haben bereits vielversprechende Daten von den weiteren Protein-Komplexen“, sagt Maximilian Schmalhofer, der als Doktorand in München an der Studie beteiligt war.
Die Arbeiten wurden gefördert mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des SPP 1617, des SFB 1035 sowie des Exzellenzclusters Center for Integrated Protein Science München (CIPSM) und des LOEWE Schwerpunkts MegaSyn des Landes Hessen. Röntgenstrukturdaten wurden am Paul Scherrer Institut in Villigen (Schweiz) gemessen. Die Swedish National Infrastructure for Computing stellte Rechenzeit für die theoretische Modellierung zur Verfügung.
Publikation: Alois Bräuer, Qiuqin Zhou, Gina L.C. Grammbitter, Maximilian Schmalhofer, Michael Rühl, Ville R.I. Kaila, Helge B. Bode und Michael Groll: Structural snapshots of the minimal PKS system responsible for octaketide biosynthesis, Nature Chemistry, DOI: 10.1038/s41557-020-0491-7, Link: https://www.nature.com/articles/s41557-020-0491-7
Weitere Informationen:
Goethe-Universität Frankfurt
Prof. Dr. Helge B. Bode
Molekulare Biotechnologie
Fachbereich Biowissenschaften &
Buchmann Institute for Molecular Life Sciences (BMLS)
Tel. +49 (0)69 798 29557
h.bode@bio.uni-frankfurt.de
https://www.bio.uni-frankfurt.de/40690675/Institut_MBW?locale=de
Technische Universität München
Prof. Dr. Michael Groll
Lehrstuhl für Biochemie
Tel.: +49 89 289 13360
michael.groll@tum.de
Web: https://www.department.ch.tum.de/biochemie/
Straßen nach Naturwissenschaftlern der Goethe-Universität benannt
FRANKFURT. Nun ist es für jedermann sichtbar: Die Mikrobiologin Emmy Klieneberger-Nobel, der Atomphysiker Friedrich Hermann Hund und der Chemiker Sir Alexander Todd sind die mit der Goethe-Universität verbundenen Naturwissenschaftler, die drei bislang namenlosen Straßen auf dem Campus Riedberg einen Namen geben.
Der Ortsbeirat 8 hatte sich im Sommer 2018 für die Namensvorschläge der Universität ausgesprochen; nun wurden die neuen Straßennamen Ende Juni mit dem Anbringen der Schilder öffentlich gemacht.
Vizepräsident Manfred Schubert-Zsilavecz, der im Ortsbeirat engagiert für die drei Wissenschaftler geworben hatte, ist froh über diesen Schritt. „Wir erinnern nicht nur an drei hervorragende Forscher, die mit der Goethe-Universität verbunden sind und von denen zwei – Hund und Todd – in die Geschichte ihres Fachs eingegangen sind. Wir würdigen im Fall von Emmy Klieneberger auch eine Frau und Jüdin, die ihre wissenschaftliche Laufbahn nur unter schwersten Bedingungen beginnen und fortsetzen konnte.“
Die Bakteriologin Emmy Klieneberger-Nobel (1892-1985) war die erste Frau, die in den 20er Jahren an der Universität Frankfurt gegen Widerstände von Kollegen habilitiert wurde. Mit ihr wird nicht nur an eine der wenigen Frauen in den Anfängen der Universität erinnert, sondern auch an das Schicksal der jüdischen Universitätsangehörigen im Nationalsozialismus: 1933 wurde der Bakteriologin aufgrund ihrer jüdischen Abstammung die Lehrbefugnis entzogen. Kurz darauf emigrierte sie nach London, wo sie ihre Forschungen bis zu ihrer Emeritierung fortsetzen und sich als Mitentdeckerin der sogenannten Mykoplasmen einen Namen machen konnte. Ihren Namen trägt nun der Weg am Biologicum.
Die campusinterne Verbindung von Physikalischen und Chemischen Instituten ist nach dem renommierten Atomphysiker Friedrich Hund (1896-1997) benannt. Der Assistent Max Borns und Kollege Werner Heisenbergs war von 1951 bis 1957 in Frankfurt Ordinarius für Theoretische Physik. Mit den berühmten „Hundschen Regeln“ über Elektronen prägte er den Wandel der Quantentheorie in den zwanziger Jahren; er gilt ebenso als Entdecker des später sogenannten, für die Entwicklung der Quantenmechanik bedeutenden „Tunneleffekts“.
Die Zufahrtsstraße von der Altenhöferallee in Richtung Biozentrum erinnert an den Chemiker und Nobelpreisträger Sir Alexander Robertus Todd (1907-1997). Der Brite Todd promovierte an der Universität Frankfurt, danach kehrte er nach Großbritannien zurück, wo er nach mehreren Stationen bis zu seiner Emeritierung an der Universität Cambridge lehrte. Alexander Todd war einer der Pioniere der Erforschung der Nukleinsäuren, mit denen er Grundsteine für die moderne Genetik, Biochemie und Molekularbiologie legte. 1957 wurde ihm der Nobelpreis für Chemie verliehen.
Die Entscheidung für die drei Naturwissenschaftler war in der Goethe-Universität bereits Anfang 2015 gefallen. Mit dem Anbringen der Straßenschilder auf dem Campus der Naturwissenschaften kommt der Prozess der Straßenbenennung nun zu einem Abschluss.
Bilder zum Download finden Sie unter folgendem Link: http://www.uni-frankfurt.de/89815490
Bildtext:
(Foto Klieneberger) Die Bakteriologin Emmy Klieneberger-Nobel habilitierte sich als erste Frau an der Universität Frankfurt
(Foto Hund) Friedrich Hund war von 1951 bis 1957 Ordinarius am Fachbereich Physik der Universität Frankfurt
(Foto Todd) Sir Alexander Robertus Todd, Nobelpreisträger im Fach Chemie, promovierte an der Goethe-Universität
Jahrzehnte altes Rätsel um Krebswirkstoff Nelarabin gelöst
Forscher aus Frankfurt stellen in Hefen Tsetse-Lockstoff zur Eindämmung der Schlafkrankheit her
FRANKFURT. Weil die Tsetse-Fliege die Schlafkrankheit übertragen kann, wird sie in Afrika mit Insektiziden bekämpft oder in Fallen gefangen. Biowissenschaftler der Goethe-Universität Frankfurt haben jetzt ein Verfahren entwickelt, mit dem der Lockstoff für die Fallen in einem biotechnologischen Verfahren in Hefen hergestellt werden kann. Künftig, so hoffen die Frankfurter Wissenschaftler, könnten die Lockstoffe kostengünstig vor Ort in ländlichen Gebieten Afrikas produziert werden. (Scientific Reports, DOI: 10.1038/s41598-020-66997-5)
Südlich der Sahara kommt die Tsetse-Fliege in weiten Teilen
Afrikas vor. Die Fliege ernährt sich von menschlichem und tierischem Blut.
Dabei kann sie Trypanosomen übertragen, kleine einzellige Organismen, die die
Fliege als Zwischenwirt nutzen und bei Mensch und Tier eine gefährliche
Entzündung des Lymph- und Nervensystems auslöst. Gegen diese Schlafkrankheit
gibt es keine Impfung, unbehandelt führt sie meist zum Tode. In der
Landwirtschaft, insbesondere der Rinderzucht, führt die Schlafkrankheit – hier
Trypanosomiasis genannt – zu großen Schäden durch krankes und verendendes Vieh.
Neben der Verwendung von Insektiziden gegen Tsetse-Fliegen werden
die Insekten in Fallen gefangen. Als Lockstoffe verwendet man unter anderem
Substanzen, die auch im Rinderurin vorkommen und Tsetse-Fliegen anlocken. Über
chemische Verfahren werden diese Substanzen (chemisch: 3-Ethyl-Phenol und
3-Propyl-Phenol, kurz 3-EP und 3-PP) aus Erdöl-Derivaten oder zum Beispiel aus
Extrakten von Cashew-Nussschalen synthetisiert. Beide Verfahren sind aber
aufwändig und für ländliche Gemeinschaften in Afrika nicht praktikabel und zu
teuer.
In einem Forschungsprojekt des LOEWE-Schwerpunktes MegaSyn ist es
Molekularbiologen der Goethe-Universität jetzt gelungen, 3-EP und 3-PP in
gentechnisch veränderter Bierhefe (Saccharomyces cerevisiae)
herzustellen. Dabei nutzten sie einen Hefestamm, in dem sie zuvor einen neuen
Stoffwechselzweig eingeführt hatten und dessen Zuckerstoffwechsel verändert
wurde. Dadurch wurden die Hefen in die Lage versetzt, aus Zucker ähnlich hohe
Konzentrationen von 3-EP und 3-PP herzustellen, wie sie in Rinderurin
vorkommen.
Doktorandin Julia Hitschler vom Institut für Molekulare
Biowissenschaften an der Goethe-Universität erklärt: „Unsere Hefen könnten in
Afrika idealerweise in Nährlösungen auf der Basis von pflanzlichen
Abfallstoffen, Nahrungsmittel- oder Futterresten wachsen. Damit würde eine
Produktion der Lockstoffe annähernd kostenfrei möglich. Derzeit suchen wir
Partner, mit deren Hilfe wir unsere Hefen vor Ort testen und der Bevölkerung
zur Verfügung stellen können.“
Das Potenzial der neuen Hefen gehe sogar über die
Tsetse-Lockstoffe hinaus, ergänzt Prof. Eckhard Boles, Leiter des Projektes. In
Zukunft könnten auch andere Substanzen, die bisher aus Erdöl oder Kohle
gewonnen werden, durch die neuen Hefen hergestellt werden: „Unsere Hefen
könnten zur Erzeugung anderer Alkylphenole als 3-EP und 3-PP weiterentwickelt
werden. Solche Alkylphenole könnten zur Produktion von Schmieröladditiven oder
oberflächenaktiven Substanzen in Reinigungsmitteln genutzt werden.“
Publikation: Julia
Hitschler, Martin Grininger, Eckhard Boles: Substrate promiscuity of
polyketide synthase enables production of tsetse fly attractants 3-ethylphenol
and 3-propylphenol by engineering precursor supply in yeast. Scientific
Reports, https://doi.org/10.1038/s41598-020-66997-5
Informationen:
Prof. Dr. Eckhard Boles
Institut
für Molekulare Biowissenschaften
Goethe-Universität Frankfurt
Tel:
+49 (0)69 798 29513
e.boles@bio.uni-frankfurt.de
http://www.bio.uni-frankfurt.de/boles
Der Amerikanist Simon Wendt von der Goethe-Universität über rassistisch motivierte Geschehnisse in den USA und Europa
Eine spieltheoretische Studie zeigt, dass Neid gepaart mit Wettbewerb eine Gesellschaft in eine obere und eine untere Klasse aufspaltet
LOEWE-Schwerpunkt Prähistorische Konfliktforschung an der Goethe-Universität und der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts findet seinen Abschluss